Nachlassregelung: Die ersten Schritte
Nach einem Todesfall muss der Nachlass geregelt werden. Das bedeutet: Es muss geklärt werden, wer was erbt und wie das Vermögen (und eventuelle Schulden) des Verstorbenen verteilt werden.
Wichtig: Die Regelung des Nachlasses kann komplex sein. Bei größeren Vermögen, Immobilien oder komplizierten Familienverhältnissen sollten Sie einen Fachanwalt für Erbrecht oder Notar hinzuziehen.
Was gehört zum Nachlass?
Zum Nachlass gehören alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen:
✓ Vermögen (Aktiva)
- Bargeld, Kontoguthaben
- Immobilien
- Wertpapiere, Aktien
- Lebensversicherungen
- Schmuck, Kunstgegenstände
- Fahrzeuge
- Hausrat
- Urheberrechte, Patente
✗ Schulden (Passiva)
- Kredite, Darlehen
- Mietschulden
- Steuerschulden
- Offene Rechnungen
- Bestattungskosten
- Pflichtteilsansprüche
⚠️ Achtung Schuldenfalle: Erben haften für Schulden des Verstorbenen mit ihrem Privatvermögen! Prüfen Sie den Nachlass genau, bevor Sie das Erbe annehmen. Bei Überschuldung sollten Sie das Erbe ausschlagen.
Testament und gesetzliche Erbfolge
Gibt es ein Testament?
Dies ist die erste wichtige Frage. Es gibt verschiedene Testamentsformen:
📄 Handschriftliches (eigenhändiges) Testament
Vom Verstorbenen selbst handgeschrieben und unterschrieben. Muss beim Nachlassgericht eingereicht werden.
Wo suchen? Zu Hause (Schrank, Safe), bei Vertrauenspersonen, beim Notar (amtliche Verwahrung)
⚖️ Notarielles Testament
Von einem Notar erstellt und beim Nachlassgericht hinterlegt. Wird automatisch eröffnet.
💑 Gemeinschaftliches Testament (Ehegattentestament)
Von Ehepaaren gemeinsam verfasst, oft als "Berliner Testament" (Ehepartner erben sich gegenseitig, Kinder erst nach dem Tod beider Elternteile).
📜 Erbvertrag
Notariell beurkundeter Vertrag zwischen Erblasser und Erben. Kann nur einvernehmlich geändert werden.
Gesetzliche Pflicht: Jedes gefundene Testament muss unverzüglich beim Nachlassgericht (Amtsgericht am letzten Wohnort) eingereicht werden – auch wenn Sie selbst nicht Erbe sind! Bei Nichtabgabe droht ein Bußgeld.
Gesetzliche Erbfolge (ohne Testament)
Wenn kein Testament existiert, gilt die gesetzliche Erbfolge nach dem BGB. Diese richtet sich nach Verwandtschaftsgrad:
Gesetzliche Erbordnungen
1. Ordnung: Abkömmlinge
Kinder, Enkel, Urenkel des Verstorbenen
→ Kinder erben zu gleichen Teilen. Wenn ein Kind vorverstorben ist, erben dessen Kinder (Enkel) den Anteil.
2. Ordnung: Eltern und deren Abkömmlinge
Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen des Verstorbenen
→ Erben nur, wenn keine Erben 1. Ordnung vorhanden sind.
3. Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge
Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins des Verstorbenen
→ Erben nur, wenn keine Erben 1. und 2. Ordnung vorhanden sind.
Sonderfall Ehegatte/Lebenspartner:
Der Ehepartner ist
nicht Teil der Erbordnungen, hat aber ein gesetzliches Erbrecht neben den Verwandten:
- Neben Erben 1. Ordnung (Kinder): 1/4 (oder 1/2 bei Zugewinngemeinschaft)
- Neben Erben 2. Ordnung (Eltern, Geschwister): 1/2
- Wenn keine Verwandten 1. oder 2. Ordnung: Alles
Beispiele gesetzliche Erbfolge
Situation |
Wer erbt? |
Erbteil |
Verheiratet, 2 Kinder |
Ehepartner + 2 Kinder |
Ehepartner: 1/2, jedes Kind: 1/4 |
Ledig, 3 Kinder |
3 Kinder |
Jedes Kind: 1/3 |
Verheiratet, keine Kinder, Eltern leben |
Ehepartner + Eltern |
Ehepartner: 1/2, Eltern: je 1/4 |
Ledig, keine Kinder, 2 Geschwister |
2 Geschwister |
Jedes Geschwister: 1/2 |
Verheiratet, keine Kinder, keine Eltern, keine Geschwister |
Ehepartner allein |
Alles |
Der Erbschein
Was ist ein Erbschein?
Der Erbschein ist ein amtliches Dokument des Nachlassgerichts, das die Erben und deren Erbteile offiziell ausweist. Er dient als Legitimation gegenüber Banken, Behörden und anderen Institutionen.
Brauche ich immer einen Erbschein?
Nein! Ein Erbschein ist nicht zwingend erforderlich, wenn:
- Ein notarielles Testament mit Eröffnungsprotokoll vorliegt
- Ein europäisches Nachlasszeugnis ausgestellt wurde
- Eine Kontovollmacht über den Tod hinaus besteht
Ein Erbschein ist aber oft erforderlich bei Immobilienbesitz im Nachlass.
Erbschein beantragen
Wo? Beim Nachlassgericht (Amtsgericht) am letzten Wohnort des Verstorbenen
Wer kann beantragen? Jeder, der sich als Erbe sieht
Benötigte Unterlagen:
- Sterbeurkunde
- Personalausweis des Antragstellers
- Geburtsurkunde des Verstorbenen
- Bei gesetzlicher Erbfolge: Nachweise der Verwandtschaft (Geburts-, Heiratsurkunden)
- Testament (falls vorhanden)
- Angaben zu anderen möglichen Erben
Kosten des Erbscheins
Die Gebühren richten sich nach dem Nachlasswert (Gerichts- und Notarkosten nach GNotKG):
Nachlasswert |
Kosten Erbschein |
10.000 € |
150 € |
50.000 € |
330 € |
100.000 € |
546 € |
250.000 € |
1.206 € |
500.000 € |
2.226 € |
Wichtig: Nach Beantragung des Erbscheins ist eine Erbausschlagung in der Regel nicht mehr möglich! Prüfen Sie daher vorher genau, ob der Nachlass verschuldet ist.
Erbe ausschlagen
Wenn der Nachlass überschuldet ist oder Sie das Erbe aus anderen Gründen nicht antreten möchten, können Sie es ausschlagen.
Fristen beachten!
Die Ausschlagungsfrist beträgt 6 Wochen ab Kenntnis vom Erbfall. Versäumen Sie diese Frist, gilt das Erbe als angenommen und Sie haften für alle Schulden!
Wie schlage ich ein Erbe aus?
1. Gründe prüfen
Häufige Gründe für Erbausschlagung:
- Nachlass ist überschuldet
- Kein Interesse an kleinem Nachlass
- Streit in der Erbengemeinschaft vermeiden
- Pflichtteil bevorzugen
2. Frist beachten
6 Wochen ab Kenntnis vom Erbfall (bei Testament: ab Testamentseröffnung)
3 Monate bei Auslandsaufenthalt
3. Ausschlagung erklären
Persönlich beim Nachlassgericht oder bei einem Notar zur Niederschrift. Schriftliche Ausschlagungen ohne notarielle Beglaubigung sind unwirksam!
Folgen der Erbausschlagung:
- Sie erhalten nichts aus dem Nachlass
- Sie haften nicht für Schulden
- Das Erbe geht an den nächsten in der Erbfolge
- Rückgängig machen ist nur in Ausnahmefällen möglich
- Kosten: ca. 30 € Gerichtsgebühr
Besonderheiten bei Minderjährigen
Wenn ein minderjähriges Kind erbt, müssen die Eltern die Ausschlagung für das Kind erklären. Dafür ist eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich.
Erbengemeinschaft
Wenn mehrere Personen gemeinsam erben, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Alle Erben müssen gemeinsam über den Nachlass entscheiden.
Rechte und Pflichten in der Erbengemeinschaft
- Alle Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden
- Jeder Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten entsprechend seiner Quote
- Jeder Erbe kann die Auseinandersetzung (Aufteilung) des Nachlasses verlangen
- Gemeinsame Verwaltung des Nachlasses bis zur Auseinandersetzung
Konfliktpotenzial: Erbengemeinschaften führen häufig zu Streitigkeiten. Versuchen Sie, sich außergerichtlich zu einigen. Bei Uneinigkeit kann ein Mediator oder Anwalt helfen.
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
Die Auseinandersetzung bedeutet die Aufteilung des Nachlasses. Ablauf:
- Bestandsaufnahme des Nachlasses
- Begleichung von Schulden und Verbindlichkeiten
- Bewertung der Vermögensgegenstände
- Aufteilung entsprechend der Erbquoten
- Auseinandersetzungsvertrag (empfohlen: notariell bei Immobilien)
Pflichtteil
Bestimmte nahe Verwandte haben einen Pflichtteilsanspruch, selbst wenn sie im Testament enterbt wurden.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
- Abkömmlinge (Kinder, Enkel)
- Ehegatte/eingetragener Lebenspartner
- Eltern (nur wenn keine Abkömmlinge vorhanden)
Höhe des Pflichtteils
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Beispiel:
Verstorbener hinterlässt Ehepartner und 2 Kinder. Gesetzliche Erbquote eines Kindes: 1/4
Wenn ein Kind enterbt wird: Pflichtteil = 1/8 des Nachlasswertes
Pflichtteil geltend machen
- Frist: 3 Jahre ab Kenntnis vom Tod und der Enterbung
- Form: Schriftliche Geltendmachung gegenüber den Erben
- Auskunftsanspruch: Pflichtteilsberechtigte können Auskunft über den Nachlass verlangen
- Zahlung: In Geld, nicht in Sachwerten
Gut zu wissen: Der Pflichtteil kann zu Lebzeiten durch einen notariellen Pflichtteilsverzicht ausgeschlossen werden (gegen Abfindung).
Erbschaftssteuer
Auf Erbschaften muss unter Umständen Erbschaftssteuer gezahlt werden. Die Höhe hängt vom Verwandtschaftsgrad und der Höhe des Erbes ab.
Freibeträge nach Steuerklassen
Verwandtschaftsgrad |
Steuerklasse |
Freibetrag |
Ehepartner/Lebenspartner |
I |
500.000 € |
Kinder, Stiefkinder |
I |
400.000 € |
Enkel (wenn Eltern verstorben) |
I |
400.000 € |
Enkel (wenn Eltern leben) |
I |
200.000 € |
Eltern, Großeltern (bei Erbschaft) |
I |
100.000 € |
Geschwister, Nichten, Neffen |
II |
20.000 € |
Alle übrigen (auch Lebensgefährte) |
III |
20.000 € |
Steuersätze
Nach Abzug des Freibetrags gilt:
- Steuerklasse I: 7-30% (je nach Höhe)
- Steuerklasse II: 15-43%
- Steuerklasse III: 30-50%
Meldepflicht: Erben müssen den Erbfall innerhalb von 3 Monaten dem Finanzamt melden. Das Nachlassgericht informiert automatisch das Finanzamt.
Checkliste Nachlassregelung
Weitere Schritte nach dem Todesfall
→ Finanzielle Angelegenheiten regeln
Bank informieren, Konten klären, Vollmachten
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→ Verträge kündigen
Übersicht aller zu kündigenden Verträge
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